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„Sie sind alle Architekten”: Rückblick auf den BDA-Hochschultag 2017

13. März 2017

Till Budde
Till Budde

„Architekt zu sein ist heute etwas Gutes“: Die Staatssekretärin im Bundesbauministerium, Anke Brummer-Kohler, gießt dosiert Balsam auf die Seele eines Berufsstands, der noch vor wenigen Jahren von manchen als fast schon obsolet und jedenfalls als kaum auskömmlich für Absolventen beschrieben worden war. Es geht – konjunkturbedingt – aufwärts in der Bauwirtschaft, Stellenangebote für Architekten sind zahlreich, und das Interesse am Architekturstudium ist sowieso ungebrochen. Gleichwohl: Die Studienanfänger sind heute im Schnitt jünger, das Bachelor- und Mastersystem ist verschulter, die Studienzeiten sind kürzer. Grund für den zum dritten Mal vom BDA veranstalteten Hochschultag, die Architekturausbildung erneut zu beleuchten und zu hinterfragen.

BDA-Präsident Heiner Farwick resümiert den Kontext: „Die beiden vorangegangenen Hochschultage formulierten ein starkes Plädoyer für eine generalistische Ausbildung und sprachen sich dafür aus, ‚Kluge Köpfe fürs Ganze‘ auszubilden – über das Fachliche hinaus“.

In diesem Kontext geht es am 10. März im DAZ unter dem Titel „Typos, Topos, Tektonik –…?“ um die Grundlagenlehre im ersten Teil des Studiums, der früher mit dem Vordiplom abgeschlossen wurde und heute in den ersten Semestern der verschiedenartig geprägten Bachelorstudiengänge zu verorten ist. Zwei Konfrontationslinien zeichnen sich an diesem Tag ab: Einerseits das Für und Wider eines integrierten Projektstudiums und andererseits die Frage nach dem Spannungsfeld zwischen Praxisnutzen und akademischem Freiraum.

Weitgehende Einigkeit besteht auf dem Hochschultag, dass die Entwurfslehre das zentrale didaktische Element des Architekturstudiums sein muss – auch schon im Grundstudium. Wo früher der Entwurf als Krone der Ausbildung von vielen kleinen Krönchen der gelegentlich despektierlich „Hilfswissenschaften“ genannten „Nebenfächer“ lose umkreist wurde, herrscht heute die Tendenz zum integrierten Projektstudium.

Anschaulich schildert Katja Pahl von der Hochschule Bremen, was damit gemeint ist: Im dritten Semester wird dort wiederkehrend die Aufgabe „Bremer Haus“ gestellt, also eine ortstypische Reihenhaustypologie in einer innerstädtischen Baulücke für eine Familie. Die überschaubare Komplexität der Aufgabe ermöglicht die Integration der „anderen“ Fächer wie Statik, Haustechnik oder Energieberatung in das Projekt. Pahl gibt aber auch zu: „Je experimenteller der Entwurf, desto schwerer ist es, andere Disziplinen einzubinden“. Die gelegentliche Kritik an der immer gleichen Aufgabe kontert sie damit, dass die Entwürfe jedes Jahr besser würden…

Karl-Heinz Schmitz von der Bauhaus-Universität Weimar zeigt ebenfalls Beispiele von Semesterprojekten, brilliert aber auch mit der „Fangfrage“, was eigentlich mit „Entwurf“ gemeint sei. Die Antwort leiht er sich bei Augustinus: „Was Entwurf ist, weiß ich, aber ich kann es nicht erklären.“

Stephan Birk berichtet, dass nun auch die TU Kaiserslautern als eine der letzten Bastionen des Diploms auf Bologna umschwenken wird. Das „Prinzip Überforderung“ der klassischen Ausbildung mit vielen Fächern nebeneinander wird dort gerade von einem „Pfälzer Modell“ abgelöst, bei dem die Inhalte der Grundlehre „nur noch am Projekt“ vermittelt werden.

Auch an der TH Köln gibt das integrierte Projekt den Rahmen für die Aufgabenstellungen in der Grundlehre, berichtet Sabina Priese.

In der Diskussion zeichnen sich zwei entgegengesetzte kritische Haltungen dazu ab: Während den einen die praxisnahe integrierte Projektlehre nicht emanzipatorisch genug ist, beklagen die anderen bei der „Ganzheitsmethode“ eine fehlende oder unsystematische Vermittlung von technischen Grundkenntnissen.

Der Blick ins Ausland setzt diese Polarität fort. Während Petra Petersson die auf „Kernkompetenz in Entwurf und Konstruktion“ zielende Ausbildung an der TU Graz als ausgewogen darstellen kann, prallen mit den beiden anderen Positionen zwei Welten aufeinander.

Alexandra Staub beschreibt detailliert die Ausbildung an der Penn State University. Aufgrund der deutlich jüngeren Studierenden ist die Ausbildung verschulter und die Betreuung intensiver. Zudem werden in einem Art Studium Generale natur- und gesellschaftswissenschaftliche Fächer begleitend unterrichtet. Von den 21 dort fest angestellten Professoren haben nur fünf ein eigenes Büro und bauen. ​Die mit hohen Studiengebühren belegte Ausbildung steht unter dem Einfluss der nordamerikanischen Akkreditierungsbehörde für Architekturstudiengänge, die bei studentischen Entwürfen anscheinend besonders die Einhaltung von Vorschriften wie Barrierefreiheit evaluiert.

Christian Kerez hingegen bezweifelt, ob man an der „Schule“ überhaupt Entwerfen lehren oder lernen kann. Sein Lehrstuhl an der ETH Zürich gilt als „Ausreißerposition“. Die Schule sei ein wertvolles Angebot an den Einzelnen, sich zu entwickeln. Kerez‘ Grundlehre dient der „Erarbeitung des Raums“; Brandschutz und Behindertengerechtigkeit müssten einem da nicht beigebracht werden, „denn beruflichen Alltag lernt man nirgends so gut wie im beruflichen Alltag“.

Thomas Welter, der mit Andreas Denk den Hochschultag moderiert, gibt eine Zusammenfassung der Erkenntnisse. Demnach solle die Grundlagenlehre zur Ausbildung einer architektonischen Haltung und nur im geringeren Maße zur Berufsbefähigung beitragen. Einen nationalen Kanon der Grundlagenlehre sieht er zwar nicht, aber an den einzelnen Hochschulstandorten habe sich durchaus ein Konsens herausgebildet. Und schließlich werde die akademische Freiheit des freien Entwerfens und Ausprobierens tendenziell höher bewertet als die Lehre von bautechnischen Standards.

Bei allen Unterschieden, die auf dem Hochschultag durchaus kontrovers ausgefochten werden, gelingt Stephan Birk beiläufig ein wundervolles Schlusswort: „Die Leute in unserem Büro kommen aus vielen Ländern und aus unterschiedlichen Ausbildungen, aber eines eint sie: Sie sind alle Architekten.“

Benedikt Hotze

Eine Fotogalerie vom Hochschultag bei Flickr