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WER BILLIG PLANT, BAUT LETZTENDLICH TEUER

28. Februar 2022

©büroluigs

VERGABEKODEX ARCHITEKTENLEISTUNGEN

Komplizierte, juristisch aufgerüstete Vergabeverfahren, unfaire oder überzogene Zugangsvoraussetzungen zu öffentlichen Aufträgen – Was läuft schief in der Zusammenarbeit von öffentlichen Bauherr*innen und Architekt*innen. Das haben wir Jochen König, Architekt BDA aus Aachen gefragt. Er ist Kooptiertes Vorstandsmitglied des BDA-NRW, Vorsitzender des Wettbewerbs- und Vergabeausschusses und Mitglied des Vorstandes der AKNW.

Seit mehr als fünf Jahren ist die Vergabeordnung (VgV) in Kraft, die unter anderem auch für die Vergabe von Planungsleistungen von Architektinnen und Architekten sowie Stadtplanerinnen und Stadtplanern gültig ist. Mitte letzten Jahres hat der BDA den VERGABEKODEX ARCHITEKTENLEISTUNGEN veröffentlicht. Was war der Grund?

Der BDA hat mit dem VERGABEKODEX ARCHITEKTENLEISTUNGEN einen Aufruf gestartet, Vergabeverfahren so zu gestalten, dass die Vergaben fair sind, der Nachwuchs und kleinere Büros eine Chance erhalten und die Grundlagen dafür geschaffen werden für die jeweilige Bauaufgabe die richtigen Planerinnen und Planer und die richtige Lösung zu finden. Dazu wendet sich der KODEX an alle Beteiligte: an Auftraggeber*innen, Architekten*innen, Ingenieur*innen und Verfahrensbetreuer*innen!

Im Gegensatz zu der bis 2016 gültigen Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) regelt die Vergabeverordnung (VgV) die Vergabe aller öffentlichen Aufträge. Was dort steht ist nicht falsch, ermöglicht aber einen so großen Gestaltungsspielraum, sodass viele Vergabeverfahren in der konkreten Anwendung die eigentlich beabsichtigten Ziele nicht erreichen.
Die Folge sind sehr aufwändige Verfahren mit unangemessenen Anforderungen an spezifische Berufserfahrungen, Bürogröße, Umsatz und an Referenzen, deren Gültigkeitszeiträume häufig unsinnig kurz angesetzt sind. Die im Vergaberecht eigentlich nicht gewollte Zusammenfassung aller Planungsleistungen in Form einer Generalplanervergabe wird immer mehr zum Regelfall. Das bevorteilt große Büroorganisationen und entspricht nicht der Struktur der Mehrheit der am Markt tätigen Büros.

Welche Rolle spielen dabei Planungswettbewerbe?

Wettbewerbe sind die beste Methode um für eine Planungsaufgabe die beste Lösung zu finden. Entwerfen ist ein kreativer Prozess unter Abwägung unterschiedlicher Anforderungen. Funktionale, konstruktive, ökonomische, aber auch der Ort, kulturelle, geschichtliche und emotionale Aspekte fließen in einen individuellen Entwurfsprozess ein. Entwerfen ist nicht deduktiv oder wissenschaftlich. Dafür fehlt die Zeit. Nur der Vergleich unterschiedlicher Ansätze kann zeigen, welche Potentiale in der konkreten Entwurfsaufgabe stecken. Wettbewerbe ermöglichen den Vergleich unterschiedlicher Lösungen für eine Bauaufgabe und damit das Finden des besten Entwurfes zu sehr vertretbaren Kosten.

Der VERGABEKODEX ruft dazu auf Planungswettbewerbe zum Regelverfahren bei der Vergabe von Architektenleistungen zu machen. Leider ist die Entwicklung in letzter Zeit gegenläufig. Bei einer deutlich steigenden Zahl von Vergabeverfahren sinkt der Anteil der Verfahren für die ein Planungswettbewerb ausgelobt wird sogar. Die absolute Zahl der ausgelobten Wettbewerbe stagniert.
Gemäß VgV müssen Auftraggeber bei jeder Vergabe von Architektenleistungen prüfen, ob für das konkrete Vorhaben ein Planungswettbewerb sinnvoll ist. Leider ist für Niemanden einsehbar, ob und wie diese Prüfung stattgefunden hat. Wir fordern deshalb, dass zumindest das Ergebnis dieser Prüfung im Rahmen der EU-Bekanntmachung des Vergabeverfahrens begründet mitgeteilt wird.

Wenn ein Planungswettbewerb tatsächlich so viele Vorteile bietet, warum wird er dann so selten ausgeschrieben?

Es gibt viele Vorurteile und möglicherweise auch Ängste in Bezug auf einen Verlust der Kontrolle über das Verfahren. Wir werden dazu in der Zukunft noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Die AKNW hat dazu auf der letzten Vertreterversammlung auf gemeinsamen Antrag des BDA mit vielen anderen Verbänden beschlossen, zukünftig ein kostenloses Beratungsangebot für Auftraggeber zur Ausgestaltung von Vergabeverfahren anzubieten.
Wettbewerbe brauchen zu ihrer Vorbereitung und Durchführung Zeit. Das wird aber dadurch kompensiert, dass die Grundlagen der Planungsaufgabe vor Vergabe geklärt sind und nach dem Wettbewerb schon ein erster Entwurf vorliegt. Wir können nachweisen, dass in den meisten Fällen bei Wettbewerben die Preisträger besonders wirtschaftliche Entwürfe geplant haben. Zum Preis eines einzigen Vorentwurfs erhält die Auslober*in eine größere Anzahl alternativer Entwürfe und das Preisgeld des beauftragten Preisträgers wird auch noch auf das Honorar angerechnet.

Die BDA-Präsidentin Susanne Wartzeck sprach letztes Jahr davon, dass sich die Vergabepraxis „vom Leistungs- zum Preiswettbewerb entwickelt“. Was meint sie damit?

Die Vergabeverordnung legt fest, dass Architekten- und Ingenieurleistungen im Leistungswettbewerb zu vergeben sind. Das macht ja auch Sinn, weil die von uns zu erbringenden Leistungen in der Vergabe gar nicht genau beschreibbar sind und erst durch die Planung (den Entwurf) genau definiert werden. Der Wegfall der Verbindlichkeit der HOAI-Mindestsätze führt zunehmend zum Preiswettbewerb. Wir fordern mit dem KODEX die Kolleginnen und Kollegen auf, nicht an einem Preisdumping innerhalb der Vergabeverfahren teilzunehmen und als Auftraggeber*in zu bedenken, dass den Büros bei reduziertem Honorar nichts anderes übrigbleibt als auch die Leistungen zu reduzieren.

Es geht um viel Geld. Bei öffentlichen Auftraggebern sogar um das Geld der Steuerzahler, das natürlich verantwortungsvoll und nachhaltig angelegt sein will. Wo liegt der Denkfehler, wenn sich die Vergabe hin zu einem Preiswettbewerb entwickelt?

Bei der Planung zu sparen macht keinen Sinn. Mit ca. 2% spielt die Höhe der Planungskosten bezogen auf die Gesamtkosten im Lebenszyklus eines Gebäudes kaum eine Rolle. Vielmehr werden durch richtige Planung Baukosten, Unterhaltskosten, ggf. Umbau- und Änderungskosten eingespart und Umweltauswirkungen reduziert oder gar vermieden. Wer billig plant, baut letztendlich teuer.

Sie fordern mit dem Vergabekodex Chancengleichheit für jüngere und kleinere Büros. Warum ist das so wichtig?

Architekturbüros, ob kleine oder große, sind ja keinen reinen Wirtschaftsunternehmen. Bei der Planung einer Schule sind wir nicht nur unserem Auftraggeber gegenüber verantwortlich, sondern auch den Kindern und Lehrern und der Gesellschaft. Dazu benötigen wir die Innovationskraft und Ideenvielfalt gerade auch der jungen Architektinnen und Architekten. Die Zukunftsaufgabe des klimaneutralen Bauens bedarf auch neuer Köpfe.
Die Anzahl großer Büros nimmt in den letzten Jahren stark zu, auch in Folge der gängigen Praxis der Vergabeverfahren. Die Bedeutung von mittelständischen Architekturbüros für den baukulturellen Reichtum unserer Städte ist nicht zu unterschätzen.

Im Koalitionsvertrag heißt es „Wir wollen die öffentlichen Vergabeverfahren vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und beschleunigen.“ Wie kommen wir da hin?

Vereinfachen durch Reduzierung völlig überzogener und unsinniger Anforderungen bei der Teilnehmerauswahl und Reduktion der erforderlichen Verwaltungsabläufe. Bei Wettbewerben sind Losverfahren zur Teilnehmerauswahl besser, als quantitative Kriterien, die am Ende doch nichts bringen. Professionalisierung durch fachkompetente Verfahrensberater, an Stelle von Jurist*innen, die nur die rechtliche Verfahrensabwicklung im Focus haben, und die Digitalisierung durch eine einheitliche Vergabeplattform.
Das Thema Beschleunigung ist komplizierter. Hier geht es eher um verwaltungsinterne Prozesse, die je nach kommunaler, Landes- oder Bundesbehörde schon heute extrem unterschiedlich lange dauern.
Schön wäre auch die Rückkehr zu nachhaltigen regionalen Kriterien bei „kleineren Projekten“, die ja auch schon häufig über dem EU-Schwellenwert liegen.

Die Fragen stellte Nicole Richter

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